In knapp drei Wochen startet die bundesweite Roadshow „Berufswahl-SIEGEL goes digital“. Für uns Grund genug, uns mit den Verantwortlichen Yvonne Kohlmann (Geschäftsführerin SCHULEWIRTSCHAFT Deutschland) und Stephanie Vogel (SCHULEWIRTSCHAFT Saarland, Projektleitung Roadshow) zum aktuellen Stand rund um das Thema digitale Schule zu unterhalten.

Yvonne und Stephanie kenne ich durch meine Arbeit im Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT und Berufswahl-SIEGEL schon sehr lange. Beide brennen für ihre Arbeit und engagieren sich mit viel Motivation und Herz für ihre Projekte. Im Dialog mit Schulen, Unternehmen und der Politik sind sie nicht nur Vermittler, Lotse und Sparringspartner, sondern sorgen auch dafür, dass auch kritische Themen angesprochen und platziert werden. In den letzten Wochen durfte ich während den Vorbereitungen zur Roadshow „Berufswahl-SIEGEL goes digital“ viel Zeit mit beiden verbringen. Für mich die Chance nachzuhören, wie es in Deutschland um die Digitalisierung an Schule bestellt ist und wie SCHULEWIRTSCHAFT und das Berufswahl-SIEGEL hier zukünftig unterstützen wollen.

Yvonne und Stephanie, ihr seid Teil des Bundesnetzwerks Berufswahl-SIEGEL in Deutschland. Für alle, die das Siegel nicht kennen, könnt ihr die Aufgaben und Ziele des Netzwerks kurz für unsere Leser erklären?

(Yvonne) Das Netzwerk Berufswahl-SIEGEL ist eine bundesweite Initiative, die sehr gute Berufs- und Studienorientierung sichtbar macht. Deshalb vergeben wir in den Bundesländern ein Berufswahlsiegel, ein Zertifikat, worum sich Schulen freiwillig bemühen können. Inzwischen sind alle Bundesländer mit dabei und wir sind in fast allen Regionen flächendeckend vertreten. Derzeit sind knapp 1.600 Schulen mit dem Siegel ausgezeichnet.

Im Zuge eures Engagements habt ihr die Roadshow „Berufswahl-SIEGEL goes digital“ ins Leben gerufen. Was verbirgt sich dahinter und welche Ziele habt ihr euch als Netzwerk für dieses Format gesteckt?

(Stephanie) SIEGEL-Schulen haben ein hohes Interesse daran, sich im Sinne ihres hervorragenden Engagements für Berufs- und Studienorientierung kontinuierlich weiter zu entwickeln. Das Berufswahl-SIEGEL ist bundesweit ein sichtbares Zeichen für Qualität und wird zunächst einmal für drei Jahre vergeben. Danach können sich die Schulen für eine Rezertifizierung bewerben. Hier kommt es insbesondere auch auf neue Entwicklungsschritte, Ideenreichtum und Innovation an. Wir möchten mit unserem Workshop im Rahmen der Roadshow einen besonderen Service bieten, was den Kontext digitale Schule angeht. Wir starten dieses Pilotprojekt im Saarland am 13. August 2018. Die Roadshow wird in vier Bundesländern stattfinden: Jeweils parallel zu einer öffentlichen Aktion, an der wir über das Berufswahl-SIEGEL und Schule 4.0 informieren, findet der dazugehörige Workshop für SIEGEL-Schulen statt. Wir wollen einfach mal ein neues Format testen und vereinen viele Akteure und Experten an einem Ort. Die Events werden im Anschluss evaluiert und wir schauen dann, welche Erfolgsfaktoren wir herausfiltern können, um auch zukünftig spannende Projekte anzubieten, die nachgefragt sind. Ziel ist es, Schulen fit zu machen für die Digitalisierung und zugleich mittels der neuen Formate das Berufswahl-SIEGEL noch bekannter zu machen.

Wer darf an dieser Roadshow teilnehmen und was muss ich tun, um dabei sein zu können?

(Stephanie) Die Roadshow richtet sich zum einem an mit dem SIEGEL ausgezeichnete Schulen, die sich zum Workshop anmelden können. Zu diesem Zweck haben wir eine Registrierungsseite unter www.fit4digitalchange.de eingerichtet. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Man sollte also schnell sein 🙂 Die Veranstaltung richtet sich aber auch an Schulen, die das Siegel noch nicht haben und sich zu den Themen Zertifizierung oder digitale Schule informieren möchten. Hierfür ist keine Anmeldung erforderlich. Eltern, Unternehmen und weitere interessierte Akteure sind ebenso herzlich eingeladen. Viele Betriebe sind auf der Suche nach Schulkooperationen oder Patenschaften. Auch hier hilft unser Roadshow-Team gerne weiter. Das Tolle am SIEGEL: Schulen gehen immer häufiger eigeninitiativ auf die Unternehmen zu, vernetzen sich regional untereinander und engagieren sich gemeinsam für die berufliche Orientierung der Jugendlichen.

Yvonne, du stehst als Geschäftsführerin von SCHULEWIRTSCHAFT Deutschland mit sehr vielen Schulen im Dialog. Woran hapert es deiner Meinung nach noch besonders bei der Umsetzung der digitalen Schule?

(Yvonne) Ich glaube da gibt es eine Reihe von Hürden, die wir überwinden müssen und wo wir natürlich auch, als Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT, gerne unterstützen möchten. Bei einigen Dingen sind sicherlich auch andere in der Pflicht, insbesondere, wenn man daran denkt, dass auch eine entsprechende Ausstattung vorhanden sein muss: ich denke da an eine entsprechende Breitbandausstattung oder auch an Geräte, die natürlich gewartet und gepflegt werden müssen.  Das können nicht die Lehrer selbst leisten.  Dass es da eine entsprechende technische Unterstützung gibt, können wir leider nicht beeinflussen, wir können es nur anregen.

Wir möchten dennoch unseren Teil dazu beitragen und das ist genau das, was wir jetzt mit dem Roadshow Format machen. Ich freue mich hier ganz besonders, das Data One und SCHULEWIRTSCHAFT Saarland, dieses Projekt initiiert haben. Ein Projekt, in dem wir die Kompetenzen, die wir im Netzwerk haben, hier entsprechend auch zur Verfügung stellen, um Lehrkräfte fit zu machen. Hier gibt es eben noch nicht so viele Angebote. Die Lehrkräfte wissen oft nicht, was sich hinter dem Begriff Digitalisierung verbirgt oder was das mit ihren Job zu tun hat.  Was sich dort verändert, wie man Digitalisierung anwenden soll oder auch wie man das Wissen Schülern korrekt vermittelt? Da gibt es viele Fragezeichen und ich denke hier können wir einen guten Beitrag leisten auch grundlegende Fertigkeiten und Anwendungsmöglichkeiten über solche Lehrerfortbildungen zu vermitteln.

Da ist es mir insbesondere wichtig, dass wir weitermachen, und natürlich auch, dass sich auch andere Akteure in Bewegung setzen und Lehrkräfte entsprechend unterstützen.

Yvonne, wenn du drei Wünsche an unsere Bildungsministerin Anja Karlizeck richten dürfest, welche wären das?

(Yvonne) Das kann ich machen, aber Frau Karlizeck hat nicht immer alle Kompetenzen in diesem Bereich. Wir haben Föderalismus in Deutschland und ich kann mir jetzt einige Dinge wünschen, die aber Frau Karlizeck nicht unbedingt umsetzen kann.

Was ich mir wünschen kann ist natürlich, was ja eigentlich auch schon lange vereinbart wurde, nämlich, dass jetzt entsprechende Unterstützungen fließen sollen und dass der Breitbandausbau erfolgen soll. Darüber hinaus würde ich mir wünschen, dass die Möglichkeiten geschaffen werden, sich digital auszutauschen und zu kommunizieren. Es wäre auch gut, wenn jede Schule eine solide technische Grundausstattung hat, mit der sie arbeiten kann. Dass eben nicht der Lehrer von zu Hause aus irgendwelche Dinge lösen muss, sondern direkt im Unterricht Dinge anwenden kann.

Und es wäre natürlich auch gut, wenn Frau Karlizeck darauf einwirkt, dass die Länder tätig werden, den Lehrkräften kontinuierlich Fortbildungen anzubieten.

Jetzt haben wir viel über Hürden und Wünsche gesprochen. Gibt es denn überhaupt schon Schulen, die für die Digitalisierung gewappnet sind?

(Stephanie) Es gibt ganz viele Schulen, die in unterschiedlichen Bereichen innovativ und digital unterwegs sind. Das Interesse sich weiterzuentwickeln ist groß und die Bereitschaft ist da. Aber es gibt vielerorts unterschiedliche infrastrukturelle Voraussetzungen. Wie Yvonne eben schon gesagt hat, steht an manchen Standorten die Infrastruktur noch nicht so ganz, an anderen sind sie wiederum prima ausgestattet. Im Saarland haben wir beispielsweise zwei „Smart Schools“, deren Konzept zum IT-Gipfel im November 2016 vorgestellt wurde und die mit moderner Ausstattung und passenden Lehr- und Lernkonzepten eine Vorreiterrolle in puncto „Digitale Schule“ einnehmen können. Aber auch viele andere Schulen machen sich auf den Weg und testen moderne Lernumgebungen und Tools aus. Außerdem gibt es ein Berufsbildungszentrum im Saarland, das ein eigenes Unterrichtsfach Industrie 4.0 anbietet und sich an betriebsseitigen Prozessen und digitalen Abläufen orientiert. Es ist immens wichtig, dass wir die jungen Leute schon in der Schule mit digitalen Arbeitsabläufen vertraut machen, die im beruflichen Alltag selbstverständlich sind.

Ergänzen möchte ich an der Stelle auch noch, dass es für uns als SCHULEWIRTSCHAFT wertvoll ist, über die Roadshow und insbesondere den Workshop herauszufinden, wie der aktuelle Stand an Schulen ist, wie unterschiedliche Bedürfnisse aussehen: Wo es Erfolgsgeschichten gibt und wo die größten Hürden liegen. Wir als SCHULEWIRTSCHAFT-Netzwerk sind ja dafür bekannt, dass wir untereinander „Good Practice“ vermitteln und da können wir gut ansetzen.

Der Umgang mit Social Media, Einsatz mobiler Endgeräte, Videotelefonie, Tutorials, Webinare, das sind alles Dinge, die wir längst im Alltag selbstverständlich nutzen, warum also nicht auch an Schulen und zwar dort, wo es für Schulen, das Lehrerkollegium und die Schüler einfach Sinn macht und den Schulen auch den Alltag erleichtern kann. Ich denke da an Tools zur Verbesserung von Kommunikation und Organisation oder auch digitale Lehr- und Lernformate im Unterricht. Es gibt so gute Konzepte, die man einfach mal testen kann und es ist toll zu sehen, wenn Schulen sich unterstützen und gegenseitig von den Erfahrungen anderer profitieren können.

Digitalisierung hat nicht nur etwas mit IT zu tun, sondern eben auch mit Kompetenzen, Fähigkeiten und auch Wandel. Welche Skills für die Arbeitswelt von Morgen werden daher immer wichtiger?

(Stephanie) Die Entwicklung geht rasant, viele andere Länder sind uns da schon um einiges voraus, was die Anwendung digitaler Lehr- und Lernformate an Schulen angeht. Wir müssen schauen, dass wir adäquate Unterstützung bieten, die Schulen zukunftsfähig machen und dort stärken, wo es hakt. Schüler sind digital in vielen Bereichen fit und neugierig darauf, neue Tools und Methoden testen. Z.B. im Bereich Gaming passiert viel. Da wäre es doch sinnvoll, den Spaß und die Eigenmotivation, die beim Spielen entsteht, in den Unterricht zu bringen. Man kann einfach mal neue Formate anbieten, die spannend sind und die Schüler gleichzeitig dabei unterstützen eigenmotiviert zu lernen. Da gibt’s ganz tolle Konzepte im Bereich „Serious Games“, Spiele mit einem sorgfältig durchdachten Bildungszweck, die man einsetzen und testen kann.

Daten analysieren und interpretieren zu können sowie die Fähigkeit Wissen und Projekte zu managen wird immer wichtiger werden in der Arbeitswelt von morgen. Wichtige Soft Skills für die jungen Menschen sehe ich in der Fähigkeit flexibel zu Agieren und seine Kompetenzen vielseitig zu nutzen und einzusetzen. Spannend hierbei ist die Erkenntnis, dass unterschiedliche Lösungswege zum Ziel führen und dass das Zusammenbringen unterschiedlicher Talente tolle Ideen und Projekte befördert. Dies kann man bereits spielerisch in der Schule erproben.

Was wäre eure Vision der digitalen Schule für 2025?

(Yvonne) Meine Vision wäre, dass jede Schule eine entsprechend gute, technische Ausstattung hat, und dass Lehrer sehr gut qualifiziert sind, um Digitalisierung lebendig zu machen. Lehrer, die Spaß und Freude haben, digitale Kompetenzen an die Schüler zu vermitteln. Für mich hat das auch nicht nur damit etwas zu tun, dass man entsprechende Medien einsetzt, sondern dass man auch Skills fördert, wie beispielsweise Teamfähigkeit. Solche Kompetenzen rücken heute immer mehr in den Vordergrund. Ich denke aber auch die Fähigkeit, agil zu arbeiten oder an die Bereitschaft, dass man sich lebenslang weiterentwickelt, qualifiziert und bildet. Lehrkräfte sollten entsprechend neugierig und offen sein, mit neuen Entwicklungen umzugehen. 2025 sollten wir das Verständnis haben, wirklich auf die Schüler zu schauen und Zeit zu haben, sich um die individuellen Bedürfnisse und Entwicklungspotenziale zu kümmern.

D.h. zusammenfassend: wir haben die Ausstattung, die Befähigung und die Lehrer, die motiviert sind und die Spaß und Freude daran haben, junge Menschen auf dieses „neue“ Leben 4.0 vorzubereiten.

Als SCHULEWIRTSCHAFT und als Netzwerk Berufswahl-SIEGEL möchten wir diese Vision mitgestalten. Was wir hier mit der Roadshow auf die Beine stellen ist das, was unsere Überzeugung ist und was wir sicherlich in Zukunft stärker nutzen sollten – nämlich diesen Brückenschlag zwischen Schule und Wirtschaft und dass man von den Erfahrungen gegenseitig profitiert. Schule lernt von Wirtschaft, wenn es um die Digitalisierung geht, aber umgekehrt ist es auch wichtig, dass Unternehmen in Schulen schauen und auch hier sicherlich einige Dinge mitnehmen können. Da sollten wir weitermachen!

Und wir machen ja gerade erste konkrete Erfahrungen. Es ist so viel im Fluss und niemand kann tatsächlich prognostizieren was 2025 tatsächlich ist. Ist autonomes Fahren schon für alle da oder gibt es schon die bereits digitalisierte Schule? Was wichtig ist sehen wir, wenn wir auf die Wirtschaft schauen: die stärkere Vernetzung. Sie ist wichtig, um die eigenen Bereiche weiterzuentwickeln. Wir wollen als Netzwerk unterstützen, stärker auf Schule und Wirtschaft eingehen, damit hier die Vernetzung stimmt und man sich gegenseitig unterstützt bei diesen Entwicklungen. Das ist unsere Vision für SCHULEWIRTSCHAFT und da ist die Roadshow ein super Projekt als Anstoß.

Aus eurer bisherigen Erfahrung heraus abschließend drei persönliche Empfehlungen, damit Digitalisierung an Schulen gelingt.

(Stephanie) Zu Beginn würde ich die Punkte Kommunikation und Transparenz nennen. Wenn ich etwas anpacken will, dann muss ich es ganz oben aufhängen und gemeinsam mit dem Lehrekollegium angehen. Ist der Prozess bei Schulleitung und dem zuständigen Lehrer-Team verankert, muss er für alle transparent und zugänglich sein. Zweitens: Man muss nicht in allen Bereichen gleichzeitig starten. Hier hilft es oftmals vorab zu fragen, was ein gutes Modul oder auch ein guter Prozess ist, mit dem ich starten kann. Der dritte und für mich persönlich ein ganz wichtiger Aspekt: Damit digitale Lehr- und Lernkonzepte dauerhaft erfolgreich genutzt werden, wäre es von großem Vorteil die Schüler mit einzubinden: Einfach mal ein Stimmungsbild einfangen durch einen Workshop oder eine Umfrage –  die Schüler mal rumspinnen lassen zu Ideen und Wünschen im Zuge der „Schule der Zukunft“.  Die Ideen sammeln und austesten, was dazu passen könnte und möglich ist. Dinge, die gut laufen, kann man dann weiterverfolgen und ausbauen. Dinge, die nicht gut laufen, noch einmal auf den Prüfstand stellen und evaluieren. Voraussetzung ist natürlich, dass alle Rahmenbedingungen an der Schule gegeben sind und dann kann es losgehen.

An der Stelle wünsche ich mir insbesondere, dass wir noch viele „Good Practice“ Beispiele finden, auch hier im Saarland und die Schulen dabei unterstützen können, sich untereinander zu vernetzen und weiterzuentwickeln.

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